Leitfaden für richtiges Verhalten bei polizeilichen Durchsuchungsmaßnahmen
I. Voraussetzungen für einen Durchsuchungsbeschluss
Ein Durchsuchungsbeschluss bedarf stets einer richterlichen Anordnung des zuständigen Amtsgerichtes.
In Ausnahmefällen kann eine Durchsuchungsanordnung auch mündlich durch den Bereitschaftsrichter erfolgen, dies in aller Regel nur bei Gefahr im Verzug oder während der Nachtzeit.
Voraussetzung für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses ist stets das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachtes.
Im Durchsuchungsbeschluss muss konkret der Verdacht der jeweils bestehenden Straftat angegeben sein, also z. B. Verdacht eines Vergehens des Betruges, weil …
Es muss auch stets ein entsprechender Tatzeitraum angegeben sein, ebenso auch, wer als möglicher Geschädigter oder Verletzter einer Straftat in Betracht kommt.
II. Wie verhalte ich mich bei einer Durchsuchungsmaßnahme richtig?
Ermittlungsbeamte (Polizei, Steuerfahndung, Hauptzollamt) erscheinen in aller Regel am frühen Morgen, häufig auch im Beisein des ermittlungsführenden Staatsanwaltes.
Eine Durchsuchungsmaßnahme soll ja für den Beschuldigten überraschend sein, es soll hierdurch vermieden werden, dass ein Beschuldigter ggf. belastendes Material zur Seite schafft oder gar vernichtet, ebenso ggf. auf dritte Personen einwirken könnte.
Ein Beschuldigter, der bisher nicht mit der Polizei zu tun hatte, reagiert natürlich sehr nervös und häufig auch ungehalten; er gerät in Panik und es passieren Fehler, die absolut vermieden werden können.
Es ist daher folgende Vorgehensweise zu empfehlen:
a.) Freiwilliger Zutritt:
Es empfiehlt sich ausdrücklich nicht, den Ermittlungsbeamten den Zutritt zu den Wohn bzw. Geschäftsräumen zu verweigern, die Beamten haben die Möglichkeit, notfalls unter Zuhilfenahme eines Schlüsseldienstes u. a., sich auch gegen den Willen des Wohnungsinhabers Zutritt zu verschaffen.
b.) Vorzeigen des richterlichen Durchsuchungsbeschlusses:
Es ist ganz wichtig, sich sofort vom leitenden Ermittlungsbeamten eine Abschrift des Durchsuchungsbeschlusses gehen zu lassen, dieser verbleibt dann auch beim Wohnungsinhaber. Dieser Durchsuchungsbeschluss muss vom Richter unterschrieben und beglaubigt sein.
Die Ermittlungsbeamten sind verpflichtet, den entsprechenden Durchsuchungsbe-schluss auch persönlich auszuhändigen.
Zudem sollte man sich auch unbedingt den Dienstausweis des verantwortlichen Ermittlungsbeamten zeigen lassen.
c.) Sofortige Verständigung des Rechtsanwaltes/Verteidigers:
Der Wohnungsinhaber bzw. Beschuldigte ist selbstverständlich berechtigt, den Rechtsanwalt seines Vertrauens bzw. seinen Verteidiger von dieser Durchsuchungsmaßnahme zu informieren.
Die Ermittlungsbeamten sind im Prinzip auch verpflichtet, angemessene Zeit zuzuwarten, bis der Anwalt/Verteidiger eintrifft. Zumutbar ist in aller Regel eine Wartezeit von ca. 30 min. Sollte der Anwalt nicht schnell erreichbar sein, gilt es trotzdem, „kühlen Kopf“ zu bewahren; vom Sekretariat des Anwalts/Verteidigers wird man informiert, bis wann dieser kommen kann. Sollte der Verteidiger nicht erreichbar sein, so kann eine andere Vertrauensperson, die nicht zum Kreis der Beschuldigten gehört, hinzugezogen werden, die sich zuvor mit dem richtigen Verhalten bei Durchsuchungen vertraut gemacht hat.
d.) Höflichkeit gegenüber den Ermittlungsbeamten:
Es ist selbstverständlich, dass man den Ermittlungsbeamten höflich gegenübertritt, es empfiehlt sich auch, den Beamten Kaffee oder Mineralwasser anzubieten.
e.) Keinerlei Angaben gegenüber den Ermittlungsbeamten:
Durch den Überraschungseffekt einer Durchsuchungsmaßnahme ist der Wohnungsinhaber (bzw. Familien- und oder Betriebsangehörige) häufig so nervös, dass es zu unbedachten Äußerungen im Rahmen von so genannten Spontanangaben kommt, die sich häufig im Laufe des Ermittlungsverfahrens sehr negativ auswirken können.
Ein Beschuldigter hat nach den Grundsätzen der Strafprozessordnung stets das Recht zu schweigen, also keinerlei Angaben zu machen, dies darf auch im Laufe des Verfahrens nicht negativ ausgelegt werden. Davon ist unbedingt Gebrauch zu machen!
Der Grundsatz des Schweigens soll auch für Familienangehölige und Mitarbeiter gelten, soweit sie sich ggf. selbst belasten würden, oder weil Ihnen ein Zeugnisver-weigerungsrecht (bei nahen Angehörigen) zusteht.
Da der Umfang der Rechte eines Beschuldigten bzw. Zeugen nicht ohne weiteres bereits von Anfang an festgestellt werden kann, empfiehlt es sich daher, keinerlei Angaben zu machen, und Unterhaltungen mit den Ermittlungsbeamten, sollten sie auch noch so unverfänglich sein, unbedingt zu vermeiden.
Häufig finden sich dann bei späterer Akteneinsicht durch den Verteidiger Protokolle der Ermittlungsbeamten, in welchen sich – unbedachte – Äußerungen von Anwesenden einer Durchsuchungsmaßnahme, häutig auch vom Beschuldigten selbst, wiederfinden.
f.) Vermeidung von Befragungen im Rahmen einer Durchsuchungsmaßnahme:
Normalerweise sind Befragungen von Mitarbeitern oder gar Kunden im Zusammenhang mit einer polizeilichen Durchsuchungsmaßnahme unzulässig.
Bei der Durchsuchungsmaßnahme, gerade in Unternehmen, verbleibt es beim Hausrecht des Geschäftsführers bzw. Firmeninhabers, er kann Vernehmungen Dritter ausdrücklich untersagen. Sollte es einmal aus taktischen Gründen vorteilhaft sein, dass ein Zeuge vernommen wird, ist stets darauf zu achten, dass eine entsprechende Belehrung durch die Ermittlungsbeamten erfolgt.
g.) Herausgabe von Unterlagen/Dokumenten:
Es empfiehlt sich, zunächst Unterlagen, die im direkten Zusammenhang mit dem Durchsuchungsbeschluss. (Beweisthema) stehen, ggf. freiwillig herauszugeben, um eine unnötige Weiterung der Durchsuchungsmaßnahme zu verhindern, ebenso auch um so genannte Zufallsfunde zu vermeiden.
Unterlagen, Dokumente u.a., die für. eine andere strafrechtliche Maßnahme von Bedeutung sein können und von den Ermittlungsbeamten überraschend aufgefunden werden, dürfen nach den Grundsätzen der StPO ebenfalls als Zufallsfunde beschlagnahmt werden.
h.) Dokumentation der Durchsuchung und Beachtung der Grundsätze der Erstellung eines Beschlagnahmeprotokolls:
Es empfiehlt sich unbedingt, dass alle Unterlagen, die von den Ermittlungsbeamten sichergestellt und mitgenommen werden, entsprechend aufgelistet werden, hierfür gibt es ein Beschlagnahmeprotokoll, welches die Beamten führen müssen; dem Beschuldigten/Wohnungsinhaber ist am Ende der Durchsuchungsmaßnahme stets eine Abschrift dieses Durchsuchungs-/Beschlagnahmeprotokolls auszuhändigen.
Wichtig ist, dass man auf die Übergabe dieser Kopie besteht.
i.) Scannen oder Kopieren von Geschäftsunterlagen/Dokumenten:
Es ist von ganz besonderer Bedeutung, dass ein Beschuldigter das Recht hat, von allen Unterlagen, die beschlagnahmt werden sollen, sich entsprechende Kopien zu ziehen. Hierfür muss jedoch der Beschuldigte/Wohnungsinhaber entweder einen oder mehrere Kopiergeräte in einem separaten Raum zur Verfügung stellen, oder die Möglichkeit haben, die entsprechenden Unterlagen {Belege, Rechnungen, Verträge u. a.) entsprechend einscannen zu können.
Die Auswertung der sichergestellten Unterlagen dauert häufig Monate oder gar Jahre.
Zum einen ist natürlich darauf zu achten, dass der normale Geschäftsgang auch nach Abschluss der Durchsuchungsmaßnahme ja weiter gehen soll und muss, zum anderen erspart es auch dem Verteidiger große Arbeit, wenn er alle Unterlagen, die beschlagnahmt wurden, in Kopie zur Verfügung hat, um bereits zu einem frühen Zeitpunkt entsprechend den Tatvorwurf prüfen und einschätzen zu können.
j.) Einverständnis zur Spiegelung von Daten, Herausgabe des Passwortes u. a.:
Es ist immer noch gelebte Praxis, dass PCs bzw. Festplatten beschlagnahmt werden, dies muss unter allen Umständen vermieden werden. Daher sollte sehr frühzeitig bereits das Einverständnis zur Spiegelung der relevanten Daten erteilt werden, auch sollten die Passwörter freiwillig herausgegeben werden.)
k) Sammlung aller Unterlagen und Beweismittel/genaue Kontrolle des Sicherstellungsverzeichnisses / Durchsuchungsprotokoll:
Aufgefundene Unterlagen und Beweismittel, die die Ermittlungsbeamten beschlagnahmen wollen, sollten nach Möglichkeit in einen gesonderten Raum gebracht werden; dieses Material sollte dann insbesondere vom Anwalt genau gesichtet werden, hierüber sollte dann auch ein Protokoll gefertigt werden.
Die in Beschlag genommenen Gegenstände müssen identifizierbar bezeichnet sein, dies dient zur späteren Verfahrenserleichterung. Alle beschlagnahmten Unterlagen/Gegenstände müssen mit fortlaufender Nummer vollständig erfasst sein, die Durchschrift des Sicherstellungsverzeichnisses, die beim Beschuldigten verbleibt, muss lesbar sein.
Der Verlauf der Durchsuchung und vor allem abgegebene Erklärungen zu den durchgeführten Maßnahmen sind vom Ermittlungsführer in einem hierzu anzufertigenden Protokoll festzuhalten, dies geschieht regelmäßig auf Formblättern. Der Rechtsanwalt/Verteidiger sollte unbedingt darauf achten, dass alle seine Einwände in diesem Protokoll festgehalten wurden und insbesondere vermerkt wurde, dass er mit der Sicherstellung einzelner Unterlagen/Gegenstände nicht einverstanden war und deswegen diese Unterlagen beschlagnahmt wurden.
l) Rechtsmittel gegen Durchsuchungsmaßnahmen:
Ob gegen einen Durchsuchungsbeschluss das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt wird, sollte in aller Ruhe mit dem Rechtsanwalt/Verteidiger besprochen werden.
Fazit:
Auch wenn es schwer fällt, sollte ein Beschuldigter bei einer belastenden Untersuchungsmaßnahme „kühlen Kopf“ bewahren.
Es sollte unbedingt vermieden werden, überhaupt Angaben zur Sache, insbesondere zum Tatvorwurf, zu tätigen; dies gilt nicht nur für den Beschuldigten, sondern auch für seine Familienangehörigen und Mitarbeiter.
Der Rechtsanwalt des Vertrauens bzw. der Verteidiger sollte sofort unterrichtet werden; sollte er selbst nicht kommen können, so wird er alles Entsprechende veranlassen, damit sehr zeitnah eine Betreuung während der Durchsuchungsmaßnahme gewährleistet ist.
Dr. Ralph Balzer
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Strafrecht